Ab wann ist Sexualität eine Sucht?

Ich werde oft gefragt, ab wann ein aktives sexuelles Verhalten als Sucht diagnostiziert werden kann. Diese Frage ist pauschal nicht zu beantworten, sondern immer im individuellen Fall zu entscheiden. Es gibt Menschen, die ein sehr aktives und erfüllendes Liebesleben führen und äußerst glücklich damit sind. Moralische Normen, ab wann ein sexuelles Verhalten krankhaft ist, sind außerdem von Gesellschaft zu Gesellschaft verschieden. Dennoch gibt es Anzeichen, die auf ein gewisses Suchtpotenzial hindeuten.

Sexualität ist Privatsphäre

Zunächst einmal ist ein aktives Sexualverhalten etwas Wunderbares. So lange die Partner einverstanden sind und keiner leidet ist doch alles gut. Es gibt Paare, die sich mehrmals täglich vereinen und damit glücklich sind. Erlaubt ist, was gefällt, solange kein Beteiligter leidet. Auch was Onanie, Masturbation oder sexuelle Phantasien angeht, hat niemand das Recht, dies moralisch zu verurteilen. Wie schambesetzt und mit Gewissenskonflikten verbunden das eigene Verhalten ist, muss jeder Mensch für sich selbst entscheiden. Moralische Vorstellungen der Gesellschaft spielen hierbei eine große Rolle.

Ab wann ist das Sexualverhalten krankhaft?

Doch wann ist das sexuelle Verhalten nicht mehr nur angenehm, sondern krankhaft im Sinne von leidhaft? In der Literatur findet man durchaus unterschiedliche Angaben. So ist manchmal schon bei acht Höhepunkten in der Woche bei Männern von einem süchtigen Verhalten die Rede. Ich persönlich halte nichts von solchen Definitionsversuchen. Sie können zwar als Richtlinie gelten, vernachlässigen allerdings das individuelle Empfinden. Das subjektive Leiden ist ausschlaggebend, denn wenn die Lust zur Qual wird, ist Vorsicht geboten.

Anzeichen für eine Störung im Sexualverhalten

Kontrollverlust und Zwanghaftigkeit beim Sex sind mehr als die Häufigkeit der erlebten Orgasmen ein Zeichen für eine Sucht. Erst wenn Betroffene nicht mehr in der Lage sind, ihren Trieb zu unterdrücken und die Handlungen zwanghaft werden, kann man von einer Sexsucht sprechen. Wenn Menschen Onanieimpulsen nicht mehr widerstehen können und der Geschlechtsverkehr zum Zwang wird, kann eine Sucht angenommen werden. Die Gedanken der Betroffenen kreisen dabei permanent nur um „das Eine“.

Immer auf der Suche nach dem nächsten Kick

Sie erleben den Höhepunkt wie einen Rausch, der sie für einen Moment die innere und äußere Welt vergessen machen lassen. Die Wirkung lässt aber immer mehr anch und und wie bei anderen Süchten auch, ist eine Entspannung oder Entlastung des verspürten seelischen und körperlichen Drucks nunmehr nur noch durch den nächsten Kick zu erreichen. Das Problem bei der Sexsucht: Ihr Verlauf ist progredient, das heißt, die Sucht steigert sich immer weiter. Eine Befriedigung muss immer intensiver und öfter herbeigeführt werden, um Befriedigung zu erfahren. Immer stärkere Reize sind notwendig, was Betroffene bis in die Verzweiflung treiben kann. Nicht selten wird die Sucht zur existenziellen Bedrohung, wenn Vernachlässigung alltäglicher Pflichten oder grundlegender sozialer Beziehungen sowie ein zu hoher finanzieller Aufwand dafür betrieben wird.

Spätestens dann, sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden. Auch Selbsthilfegruppen können Betroffene auffangen und Halt bieten.